Baut Sars-CoV-2 Gensequenzen in das DNA-Genom von Wirtszellen ein?

Sars-CoV-2 infizierte Zelle. Bild: NIAID/CC BY-2.0

Nach einer Studie kann Sars-CoV-2 RNA-Gensequenzen in das menschliche DNA-Genom einbauen. Verändern die mRNA-Impfstoffe das menschliche Genom – möglicherweise mit langfristigen Folgen?

 

Impfgegner haben sich auf eine Studie  des Molekularbiologen und Stammzellenforschers Rudolf Jaenisch und seines Teams vom Whitehead Institute for Biomedical Research am MIT und anderen Universitäten gestürzt, die Mitte Dezember auf bioRxiv vorveröffentlicht wurde. Untersucht haben die Wissenschaftler, ob sich RNA-Abschnitte von Sars-CoV-2 in das menschliche Genom einschreiben können. Das könnte erklären, warum Menschen, die an Covid-19 erkrankt waren, nach der Genesung weiterhin mit dem PCR-Test positiv, aber nicht mehr ansteckend sind. Es konnten auch keine replikationsfähigen Viren von ihnen isoliert werden. Das Wissenschaftsmagazin Science hat den Sprengstoff erkannt, der von den Ergebnissen der Studie ausgehen könnte.

Bekannt ist seit den 1970er Jahren, dass Viren durch  Enzyme – reverse Transkriptasen (RT) – ihre RNA in DNA umschreiben bzw. transkribieren können. Bei dieser reversen Transkription wird zuerst ein Doppelstrang aus RNA und DNA aufgebaut, dann wird der RNA-Strang abgebaut und der DNA-Strang zum Doppelstrang ergänzt, danach kann dieser in das Genom der Wirtszelle eingefügt werden. Weil bei der RT-Übersetzung  viele Fehler auftreten, ist die Mutationsrate hoch. Retroviren wie HIV nutzen RT, um ihr RNA-Genom in das DNA-Genom der infizierten Zellen einzuschreiben. Die antiretrovirale Kombinationstherapie zur Behandlung von HIV-Infektionen unterbindet die RT.

Es gibt einen Mechanismus, Gen-Sequenzen von Sars-CoV-2 in menschliche Zellen einzubauen

Die Wissenschaftler analysierten, um der Möglichkeit einer RT nachzugehen, veröffentlichte RNA-Sequenzierungsdaten von Zellen, die von Sars-CoV-2 infiziert waren, nach Hinweisen für chimärische Transkriptasen. Und sie wurden fündig in Zellkulturen und in von Patienten entnommenen Zellen. Der höchste Anteil wurde in Lungen von schwer Erkrankten gefunden.

Experimentell wurde dann nachgewiesen, dass sich RNA von Sars-CoV-2 in das Genom von infizierten Zellen integrieren kann, was zur Produktion von chimerischen viral-zellulären Transkriptionen führt. Dazu wurde  LINE-1 (häufig vorkommende DNA-Sequenzen, die RNA binden und RT ermöglichen) oder HIV-1 RT in Zellen eingeführt, die dann mit Sars-CoV-2 infiziert wurden.  PCR-Tests von zellulärer DNA ergaben zwei Tage später positive Ergebnisse, die bei nicht-infizierten und nicht mit LINE-1 oder HIV-1 RT behandelten Zellen nicht auftraten. Das Immunsystem von Menschen, die mit Sars-CoV-2 infiziert sind, reagiert mit Zytokinen und bei schweren Fällen mit Zytokin-Stürmen. Führt man in Zellen Zytokine ein, dann wird vermehrt LINE-1 exprimiert.

Die Wissenschaftler sagen, ihre Untersuchungen würden zeigen, dass in Zellen, die viral infiziert oder Zytokinen ausgesetzt sind, vermehrt LINE-1 entsteht. Das könne ein molekularer Mechanismus sein, Sars-CoV-2 in menschliche Zellen einzubauen.

Unklar bleibt aber, was dies für Konsequenzen hat. Praktisch ausgeschlossen sei, betonen die Wissenschaftler, dass aus den eingebauten Sequenzen ansteckende Viren entstehen. Aber auf diese Weise können Patienten nach ihrer Genesung weiterhin positive PCR-Ergebnisse haben. Das würde die Aussagekraft von PCR-Tests mit zunehmender Zahl von Genesenen einschränken. Es besteht auch die Möglichkeit, dass in das Genom eingebaute Viren-Sequenzen virale Antigene entstehen lassen, die wiederum eine Immunreaktion hervorrufen und damit möglicherweise eine Behandlung beeinflussen können. RT könnte die Immunisierung gegenüber dem Virus stärken, aber auch negativ Autoimmunreaktionen.

Streit um die Studie und deren Ergebnisse im Hinblick auf die mRNA-Impfstoffe

Die Frage ist, ob mRNA-Impfstoffe wie die von Biontech oder Moderna Sars-CoV-2-Fragmente durch RT in das menschliche Genom einbauen können. Dass replikationsfähige  Viren entstehen, haben die Wissenschaftler bereits bestritten, aber könnte dadurch trotzdem das Genom von Menschen verändert werden, die noch nicht infiziert waren? Das Paul-Ehrlich-Institut, ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit, versichert:

„Es besteht kein erkennbares Risiko einer Integration von mRNA in das humane Genom. Beim Menschen befindet sich das Genom in Form von DNA im Zellkern. Eine Integration von RNA in DNA ist unter anderem aufgrund der unterschiedlichen chemischen Struktur nicht möglich. Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass die von den Körperzellen nach der Impfung aufgenommen mRNA in DNA umgeschrieben wird.“

Das dürfte nach der Jaenisch-Studie falsch sein, allerdings ist mRNA kein Virusbestandteil, sondern Bauanleitung für Proteine, im Fall der Impfstoffe für das Spike-Protein, das selbst nicht infektiös ist, auf das aber Immunsystem durch Bildung von Antikörpern und Abwehrzellen reagiert. Das RKI sagt:

„Die im Impfstoff enthaltene mRNA wird nicht ins menschliche Erbgut eingebaut, sondern im Körper nach einigen Tagen abgebaut. Dann wird auch kein Viruseiweiß mehr hergestellt.“

Jaenisch spricht sich dagegen aus, dass die Ergebnisse seiner Studie als Argument gegen eine Impfung verwendet werden können. Es gebe keinen Beweis, dass die mRNA-Impfstoffe dasmenschliche Genom verändern. Allerdings ist er weniger apodiktisch. Zwar enthält mRNA nur wenige Teile des Virusgenoms und vor allem nicht diejenigen, die für sein Überleben und seine Replikation notwendig sind, aber man habe gegenwärtig noch wenige Informationen über die Sicherheit von mRNA-Impfstoffen. Für langfristige Folgen gebe es keine Daten. Bislang sind mRNA-Impfstoffe nicht durch klinische Studien überprüft worden, sie haben nur Notzulassungen erhalten. Es gibt ein theoretisches Risiko, dass möglicherweise auch mRNA das menschliche Genom durch RT verändert.

Wegen der aufgeladenen Situation wurde Jaenisch schon aufgefordert, seine Studie zurückzuziehen. Dazu müsste eigentlich die Impfung als Gentherapie gelten, was man tunlichst vermeidet zu sagen. Für die Studie spricht, dass manche Menschen, die von einer Covid-19-Infektion genesen sind, auch Monate danach weiter positiv PCR-getestet werden. Das Risiko ist gering, dass ernste langfristige Folgen aus den mRNA-Impfstoffen zu erwarten sind. Dennoch bleibt die massenhafte Impfung erst einmal ein Experiment, wie das immer der Fall ist, wenn Neues eingesetzt wird.

Ähnliche Beiträge: