Großbritannien: Provokation vor der Krim war geplant, um nicht feige dazustehen

Russisches Kriegsschiff gibt Warnschüsse ab. Bild: Russisches Verteidigungsministerium

In einem Papierkorb gefundene Geheimdokumente des britischen Verteidigungsministeriums bestätigen die Absicht, Russland zu provozieren, was aber aus dem Ruder gelaufen ist.

 

Jeder wusste, dass der Vorfall in den Gewässern vor der Krim, als der britische Zerstörer HMS Defender mehrere Kilometer in die von Russland beanspruchten Gebiete einfuhr, eine kalkulierte Provokation gewesen ist. London hatte vermutlich nicht damit gerechnet, dass für Moskau damit eine rote Linie überschritten wurde, weswegen nach wiederholten Warnungen ein Kampfflugzeug Bomben abwarf und ein Schiff der Küstenwache Warnschüsse abgaben.

Der Zerstörer fuhr schnell wieder in internationale Gewässer, die britische Regierung bestritt, dass Russland überhaupt Warnschüsse abgab, wahrscheinlich um nicht zugeben zu müssen, deswegen abgedreht zu haben. Nach westlicher Sicht, was auch London betonte, gehören die Gewässer weiterhin der Ukraine, da Russland unrechtmäßig die Krim annektiert hat. Russland verweist auf die rechtmäßige Integration der Krim nach einem Referendum. Fakt ist, dass Russland die Krim nicht mehr hergeben wird.

Am vergangenen Dienstag kamen Geheimdokumente zum Vorschein, die irgendwer wohl genervt vom Regierungshandeln in einem Papierkorb an einer Bushaltestelle in Kent „geleakt“ hat. Dabei geht es auch um die Aktion von HMS Defender. Ein Mitarbeiter hatte den „Verlust“ gemeldet, jetzt wird der Vorfall vom Verteidigungsministerium untersucht und nach dem möglichen Whistleblower gesucht. Die BBC berichtete erst gestern von dem peinlichen Vorfall, nachdem ein Bürger sich an den Sender gewandt hatte: peinlich nicht wegen des Geheimnisverrats, sondern wegen der Inhalte, aber auch peinlich für die Staatstreue der BBC, die die Dokumente so lange zurückgehalten und damit auch die britische Provokation, die gefährlich hätte ausgehen können, mitgetragen hat..

 

Nach den Dokumenten, die die BBC nur beschreibt, aber nicht veröffentlicht, ist die Rede von einer Mission, bei der es um eine „friedliche Durchfahrt (innocent passage) durch ukrainische Gewässer“ mit einem Zerstörer geht, dessen Bordkanonen verdeckt und dessen Hubschrauber im Hangar verstaut sind. Erwartet wurde, dass Russland aggressiv reagiert. Die Mission mit dem Namen „Op Ditroite“ war offenbar am Montag, den 21. Juni, Thema von Diskussionen auf höchster Ebene. Man überlegte, wie Russland reagieren würde. Im Mittelmeer seien Begegnungen zwischen russischen Kriegsschiffen und dem neuen britischen Flugzeugträgerverband der HMS Queen Elizabeth unauffällig und mit den Erwartungen übereinstimmend verlaufen. Aber man erwartete, dass beim „Übergang von Verteidigungsaktivitäten zu operationaler Aktivität die Interaktionen  mit der russischen Marine und Luftwaffe „häufiger und aggressiver“ würden.

Nach Folien des Verteidigungsministeriums wurden zwei Routen erörtert, eine entfernt von der umstrittenen russischen Seegrenze. Damit hätte man eine Konfrontation vermieden, aber Russland – so die Psyche der Militärs und Regierungsvertreter – könne dies dann so darstellen, dass Großbritannien feige sein und davonlaufe. Vor solch einer Demütigung muss natürlich Great Britain, neuerdings Global Britain, beschützt werden.

Als zweite Route wurde ein „sicherer und professioneller direkter Transit von Odessa nach Batumi“ mit einer kurzen Passage durch ein „Traffic Separation Scheme“ (TSS) nahe der südwestlichen Spitze der Krim in Erägung gezogen. Diese Route wäre eine Gelegenheit, so der Text einer Folie, um mit der ukrainischen Regierung zu kooperieren, da es dabei um die Anerkennung der ukrainischen Gewässer gehe.

Man war sich freilich klar, dass es keineswegs eine „sicher und professionell“ ablaufen wird, sondern auch „weder sicher noch professionell“. Was dann auch geschehen ist, nachdem man sich für die Provokation entschieden hat (aber dann doch davongelaufen ist). Aber man war überzeugt, „ein starkes, legitimes Narrativ“ zu haben. Die eingebetteten Journalisten der BBC und des Daily Mail seien „eine Option der unabhängigen Verifikation der Aktion von HMS Defender“. Das ist schon eine britische Version der unabhängigen Berichterstattung, wenn man Journalisten mitfahren lässt, um sie entsprechend zu instrumentalisieren.

Die BBC verhält sich weiter patriotisch und eingebettet. Man frägt rhetorisch, ob es sich um eine Kanonenpolitik gehandelt habe. Es wird eingeräumt, dass „ein Kriegsschiff zur Verfolgung diplomatischer Ziele eingesetzt“ wurde, aber das primäre Ziel soll doch nicht die Provokation gewesen sein, es sei nur „um die Freiheit der Seefahrt und eine klare Unterstützung der Souveränität der Ukraine nach der Annexion der Krim gegangen“. Alles prima also nach der BBC. Und auch die Labour-Opposition ist nur beunruhigt, weil die Dokumente bekannt wurden.

 

In den Dokumenten geht es auch um Waffenexporte und die Konkurrenz mit europäischen Staaten, über Joe Biden, der in Bezug auf China Kontinuität zeigt, oder die Frage, ob Großbritannien nach dem Abzug der Nato-Truppen aus Afghanistan dort trotz der gefährlichen Lage weiterhin Sondereinheiten stationieren soll. Offenbar gibt es eine Anfrage aus Washington. Einzelheiten teilt die BBC nicht mit.

Die Sprecherin des russischen Außenministeriums machte sich lustig: „Hier ist eine Frage an das britische Parlament: Wer braucht ‚russische Hacker‘, wenn es britische Bushaltestellen gibt?“

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