MH17-Prozess: Auch Biden-Regierung gibt die Satellitendaten vom Abschuss nicht heraus

Am ersten Tag des Hauptverfahrens wurde klar, dass die USA entscheidende Beweismittel nicht zur Verfügung stellen. Das wirft die Frage auf, ob es wirklich schlüssige Satellitendaten gibt, wie dies der frühere US-Außenminister Kerry behauptet hatte.

Am 7. Juni begann das Hauptverfahren im Strafprozess gegen vier Verdächtige im Fall MH17. Die drei angeklagten Russen und der Ukrainer werden an dem Prozess nicht teilnehmen. Sie werden nicht direkt für den Abschuss beschuldigt, sondern sollen dafür verantwortlich sein, das Buk-Raketensystem aus Russland in die Ostukraine an den Abschussort gebracht und danach wieder nach Russland zurückgeholt zu haben.

Das Hauptverfahren in dem Prozess, der nach jahrelangen, nicht sehr ergiebigen Ermittlungen zustandekam und endlich die Schuldigen benennen soll, begann mit einer Niederlage der Justiz, die den einzigen Beweis für den Abschuss einer Buk-Rakete auf MH17 auf dem von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebiet nicht vorlegen kann – sofern es diesen überhaupt gibt. Auf wiederholte Anfragen des Gerichts, Einsicht in die Satellitenbeweise zu erhalten, die die Amerikaner besitzen sollen, erfolgte immer wieder eine Ablehnung. Nun musste der Vorsitzende Richter einräumen, dass es keinen Sinn mehr macht, noch einmal um Einsicht zu bitten und die Satellitendaten für die Beweiserhebung verwenden zu können (dazu siehe auch Der Augenblick der Wahrheit im MH17-Prozess: niederländische Wahrheit, amerikanische Lüge).

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Eigentlich ist auf den ersten Blick unverständlich, dass nun auch unter der Biden-Regierung der oberste amerikanische Geheimdienst DNI den angeblich vorliegenden Beweis, dass der Abschuss von einem Gebiet, das von den Separatisten kontrolliert wurde, nicht freigeben will. Immerhin handelt es sich um Daten, die vor sieben Jahren erhoben wurden und vermutlich keinen größeren Einblick in satellitengestützten Methoden und Techniken gewähren. Und die USA, die die Nato stärker hinter sich und gegen Russland und China stellen wollen, könnte die Sanktionen gegen Russland rechtfertigen und dem Ansehen des Kreml nachhaltig schaden.

Gericht am ersten Tag der Hauptverhandlung

Jetzt entsteht der Anschein, dass die Beweisdaten entweder nicht vorliegen, es sich also um eine vom damaligen US-Außenminister behauptete Lüge oder Desinformation handelte, oder dass sie nichts beweisen oder gar den Verdacht in eine andere Richtung lenken könnten. Auch andere Beweismittel wurden von den US-Geheimdiensten nicht vorgelegt. Unglaubwürdig bleibt weiterhin, dass zufällig am Tag des Abschusses alle Radarsysteme der Ukraine nicht funktiuonsfähig gewesen sollen. Das scheint die US-Regierung nicht weiter zu stören, auch nicht, dass nun der gesamte Strafprozess, der jetzt noch im Wesentlichen auf vom ukrainischen Geheimdienst SBU oder von der ominösen Organisation Bellingcat beschafften Materialien beruht, während Zeugen angeblich aus Sicherheitsgründen nicht vernommen werden können, zur Farce gerät.

Nach dem Abschuss am 17. Juli 2014 hatte der damalige US-Außenminister John Kerry am 20. Juli klipp und klar erklärt: „We picked up the imagery of this launch. We know the trajectory. We know where it came from. We know the timing. And it was exactly at the time that this aircraft disappeared from the radar.“ Er verwies weiter auf „Beweise“ aus den sozialen Medien über den Transportweg des BUK-Systems und die vom SBU abgehörten Gespräche, um klar zu machen, dass die Separatisten für den Abschuss direkt und Russland für Unterstützung verantwortlich sind. Kerry wiederholte Anfang August die Existenz von Satellitendaten.

Nicht ganz unwichtig ist, dass der jetzige Präsident Joe Biden damals unter Barrack Obama Vizepräsident war, der sich stark mit der Ukraine beschäftigte – und damit mit der Zuspitzung des Konflikts. Für Biden war es auch schnell klar, dass es sich um einen Abschuss handelte. Von Satellitendaten sprach er allerdings am 17. Juli noch nicht. Eine Presseerklärung des Weißen Hauses am 17. Juli wies bereits mit dem Finger aus Russland. Am 18. Juli erklärte der Pressesprecher des Pentagon, Admiral John Kirby, dass die Rakete von einem von den Separatisten kontrollierten Gebiet abgeschossen wurde und es wenig glaubwürdig sei, dass die Separatisten ein solches Buk-System ohne russische Unterstützung bedienen können. Gefragt, ob ein Buk-System von Russland über die Grenze in die Ukraine gebracht wurde, sagte er: „I don’t have any specific information about a Buk system making that transit.“

Am 18. Juli sprach Obama bereits von nicht näher ausgeführten Beweisen für die Verantwortung der Separatisten: „Here’s what we know so far.  Evidence indicates that the plane was shot down by a surface-to-air missile that was launched from an area that is controlled by Russian-backed separatists inside of Ukraine.“ Und er versicherte, dass die USA die Wahrheit an den Tag bringen warden: „I want to point out there will likely be misinformation as well.  I think it’s very important for folks to sift through what is factually based and what is simply speculation.  No one can deny the truth that is revealed in the awful images that we all have seen.  And the eyes of the world are on eastern Ukraine, and we are going to make sure that the truth is out.“

Das hat nun sein damaliger Vizepräsident auch als Präsident nicht gemacht. Deckt er damit eine Lüge, an der er als Vizepräsident mit beteiligt war? Ist er nicht in der Lage, den Geheimdiensten die Vorlage der Beweise in einem solch wichtigen Fall abzuverlangen, in dem es auch um die Glaubwürdigkeit von Washington und der demokratischen Obama-Regierung geht, der er angehörte? Und seltsam ist auch, dass auch Medien wie die tagesschau kein Wort über diese Behinderung der Justiz verlieren, wenn sie über den Prozess sprechen. Immerhin steht in der vom Gericht vorgelegten Zusammenfassung des ersten Tags im Hauptverfahren, dass die Amerikaner die Beweise nicht dem Gericht übergeben wollen. Auch hier wird sehr vorsichtig gesagt, dass US-Behörden Zugang zu den Satellitendaten zu haben scheinen: „The satellite footage appears to be available with the U.S. authorities.“

Es gibt nur ein als geheim klassifiziertes Memorandum, in dem behauptet wird, es gebe Satellitendaten, so die niederländische Staatsanwaltschaft: „At the time MH17 dropped out of contact, the US Intelligence Community detected an SA-11 surface to air missile (SAM) launch from approximately six kilometers south of the town of Snizhne in Eastern Ukraine.“ Ein Angehöriger der niederländischen Staatsanwaltschaft erhielt Einblick in die Quellen, aber nur in manche, bekannt ist auch nicht in welche und ob diese hinreichend waren. Die niederländische Staatsanwaltschaft kann den Nebel auch nicht lichten:

„The Dutch National Public Prosecutor for Counterterrorism, Intelligence and Security Services was given the opportunity to check the accuracy of this statement against the underlying, secret sources. Dutch statute makes provision for an assessment under criminal law of information from the Dutch intelligence services that is classified as secret. By way of exception, the US authorities granted our colleague this opportunity. In the United States the National Public Prosecutor was given an intelligence briefing by several American officials and he was also granted access to various classified and unclassified documents, though not to all underlying research- and metadata. According to the National Public Prosecutor, the secret sources he consulted support the written statement issued by the Office of the Director of National Intelligence.“

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