Nawalnys Rückkehr nach Russland eine Kamikaze-Aktion?

Nawalny wurde u.a. durch Merkel zum Gegner von Putin aufgebaut, jetzt muss der russische Präsident reagieren. Bild: Kreml/CC BY-SA-4.0

Der russische Oppositionelle, der durch seine Vergiftung zu Putins stärkstem Gegner aufgebaut wurde, will am Sonntag in Moskau landen und den Kreml provozieren. Russische Behörden wollen ein „Massenereignis“ unterbinden.

Am Wochenende wird erwartet, dass Trump-Anhänger in den USA mit Aktionen in Erscheinung treten. Das Kapitol in Washington ist inzwischen wie eine Festung abgeschirmt mit tausenden Soldaten der Nationalgarde und einem Sicherheitszaun mit Stacheldraht. Aber vermutlich haben neben republikanischen Abgeordneten auch Sicherheitskräfte  den Sturm auf das Kapitol ermöglicht, Sympathisanten wird es vermutlich bei der Nationalgarde, der Polizei oder dem Secret Service geben, der Feind kommt nun nicht mehr aus dem Ausland, sondern von innen. Das macht alles kompliziert. Das FBI warnte überdies, dass in allen Hauptstädten der Bundesstaaten militante Aktionen stattfinden könnten. Das Geschehen in den USA als gefährdeter Demokratie dürfte am Wochenende die globalen Medien beschäftigen.

Es könnte daher sein, dass der von Alexei Nawalny geplante Coup nicht die Aufmerksamkeit findet, die man sich im Team um den russischen Oppositionspolitiker wahrscheinlich erhofft. Nawalny hat wiederholt Putin selbst und die Geheimdienste für den Anschlag auf ihn verantwortlich gemacht. Bellingcat glaubt, das Vergiftungsteam ausgemacht zu haben, mit einem hat er ein langes Gespräch geführt, bei dem er sich als Mitarbeiter des Nationalen Sicherheitsrats ausgab, aber letztlich aus ihm nur herauslockte, dass er die in Omsk zurückgebliebene Kleidung von Nawalny, besonders die Unterhose oder Unterhosen, auf Giftspuren untersucht hatte. Es seien aber keine sichtbaren Spuren gefunden wurden, zudem wurden sie gereinigt. Was wirklich geschehen ist, wisse er nicht, sagte der FSB-Mitarbeiter, Nawalny bezeichnete ihn dennoch als einen seiner Mörder.

Was auch immer geschehen war, ob es sich um einen Nowitschok-Anschlag handelt und wer dahinter steht, bleibt bei der Geheimhaltungsstrategie, die die Bundesregierung und der Kreml pflegen, für die Öffentlichkeit abhängig davon, wem man ohne Beweise vertraut, die Wahrheit zu sagen. Durch den angeblichen Nowitschok-Anschlag und die Überführung nach Deutschland als faktischem Staatsgast wurde Nawalny im Westen, aber auch in Russland prominent und als wichtigster Gegner von Putin aufgebaut. Das will Nawalny mit seinem Team, seiner Stiftung und den Geldgebern ausnutzen, indem er wieder nach Russland zurückkehrt, wo er angeblich auf Weisung von ganz oben vom russischen Geheimdienst getötet werden sollte, obgleich man ihn kurz nach seinem Zusammenbruch in dem Flugzeug, nach der Notlandung, nach seiner offenbar lebensrettenden Behandlung mit Atropin aus dem Krankenhaus nach Deutschland ausfliegen ließ.

Russische Behörden wollen ein Aufmerksamkeitsspektakel verhindern

Am 17. Januar will Nawalny von Berlin  abfliegen, am  Flughafen Wnukowo landen und nach Russland einreisen. Das auch, nachdem der russische  Strafvollzugsdienst FSIN nach einem Artikel der Charité-Ärzte, der in Lancet erschienen ist und Nawalny Genesung bescheinigte, diesem drohte, eine Bewährungsstrafe in eine Gefängnisstrafe umzuwandeln, weil er sich nicht, wie die Auflage war, gemeldet hatte. Zudem war ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet worden, weil er angeblich Spenden zum persönlichen Gebrauch unterschlagen hat. Seit dem 29. Dezember steht Nawalny auf der Fahndungsliste.

Nawalny muss also damit rechnen, am Flughafen Moskau-Vnukovo von der Polizei empfangen zu werden. Aufgerufen wurde von seinem Team denn auch, die Landung zu einem Ereignis zu machen, Sympathisanten sollen sich dort einfinden, 2000 sollen ihre Teilnahme schon bekundet haben. Die russischen Behörden wollen hingegen jedes Aufsehen vermeiden. Der Flughafen hat Medien verboten, über die geplante Versammlung zu berichten. Vorgeschoben wurde die Corona-Pandemie. Massenereignisse seien zum Infektionsschutz und zur Sicherheit Passagiere vorübergehend nicht möglich.

Die Staatsanwaltschaft Moskau hat eine Warnung vor der Teilnahme an der Versammlung am Flughafen veröffentlicht. Diese sei nicht mit den Behörden „koordiniert“ worden, die Teilnehmer müssten mit Konsequenzen rechnen. 15 Personen, die zur Teilnahme aufriefen, seien bereits verwarnt worden.

Zerreißprobe für Moskau

Ist Nawalny also auf einer Kamikaze-Mission? Hofft er darauf, Putin und die russischen Behörden herausfordern zu können, weil er jetzt zu bekannt ist, um einfach als Schützling des Westens ohne außen- und innenpolitische Konsequenzen weggesperrt oder gar noch einmal vergiftet zu werden? Oder geht es darum, Russland eben dazu zu provozieren, auch um den Preis, inhaftiert zu werden?

Für Moskau wird die provokative Einreise von Nawalny eine Zerreißprobe darstellen. Wie wird man reagieren? Entsprechend dem Bild der bösen Macht, die Oppositionelle mundtot machen will, oder souverän, was aber die Opposition verstärken würde? Mit der Entscheidung, scheinbar formal rechtlich zu verfahren, soll offenbar das Ansehen Nawalnys beschädigt werden, aber das könnte auch noch einmal das Ansehen des Justizsystems schaden. Es wird spannend bleiben. Nicht zuletzt geht es wie in den USA um den Konflikt der Staatsmacht mit der Meinungsbildung im Internet.

Ähnliche Beiträge: