Die USA kehren in Bulgarien mit dem Magnitski-Besen

Mit Magnitski-Sanktionen belegter Oligarch Vasil Boschkov in Dubai. Bild: Frank Stier

 

Mit dem Magnitski-Gesetz sollen Menschenrechtsverstöße und Korruption weltweit geahndet werden, Sanktionen wurden gegen drei Bulgaren und 64 mit ihnen verbundene Unternehmen und Organisationen wegen Korruption verhängt.

 

Als die frühere Direktorin von Bulgariens staatlicher Totogesellschaft Irena Krasteva im Juli 2007 zur allgemeinen Überraschung plötzlich begann, Tages- und Wochenzeitungen zu kaufen und den Grundstein legte für die mächtigste Mediengruppe des Landes, konnte sie kaum ahnen, dass ihr Name vierzehn Jahre später auf einer Schwarzen Liste des bulgarischen Finanzministeriums stehen würde. Zusammen mit einigen Dutzend weiteren Personen, Firmen und Organisationen ist Krasteva dort als eine der Personen verzeichnet, die „in den Geltungsbereich von Sanktionen des US-amerikanischen Amts für die Kontrolle von Auslandsvermögen (OFAC) fallen oder fallen könnte.“ Sie gilt damit als ein potenzielles Zielobjekt des Globalen Magnitski-Gesetzes.

Im Dezember 2016 verabschiedete der US-Kongress den Global Magnitsky Human Rights Accountability Act, benannt nach dem in russischer Untersuchungshaft ums Leben gekommenen Wirtschaftsprüfer Sergei Magnitski.  Er zielt ab auf „Menschenrechtsverletzungen und Korruptionshandlungen, die ihren Ursprung außerhalb der Vereinigten Staaten haben und ein solches Ausmaß und Gewicht erreichen, dass sie die Stabilität der internationalen politischen und wirtschaftlichen Systeme gefährden”.

„Die Vereinigten Staaten stehen allen Bulgaren bei, die danach streben, die Korruption auszumerzen“

Am 2. Juni 2021 verhängte das OFAC Magnitski-Sanktionen gegen drei Bulgaren und vierundsechzig mit ihnen verbundene Unternehmen und Organisationen.  Der frühere Parlamentsabgeordnete und Medienunternehmer Deljan Peevski,  Irena Krastevas Sohn, ist einer der Sanktionierten. Seine Magnitski-Sanktionierung hat auch seine Mutter auf die Liste des bulgarischen Finanzministeriums gebracht. Mit den auf ihr Verzeichneten sollen staatliche Institutionen und Unternehmen keine Geschäftsbeziehungen unterhalten, um nicht ihrerseits Sanktionen durch die OFAC zu riskieren. Krasteva sieht darin eine Art Sippenhaft, sie verlangt die Streichung ihres Namens von der Liste, da sie mit Deljan Peevski geschäftlich nichts zu tun habe.

Wird man wie Deljan Peevski im zarten Alter von einundzwanzig Jahren ohne jegliche Berufsausbildung parlamentarischer Staatssekretär im Transportministerium und damit Geschäftsführer von Bulgariens größtem Schwarzmeerhafen Varna, so dürfte man entweder ein Wunderkind sein oder ein Strohmann für verdeckte Interessen. Es gibt in Deljan Peevskis politischer und wirtschaftlicher Laufbahn in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehr als genug Indizien dafür, dass bei ihm Letzteres der Fall ist. So ist bis heute nicht abschließend geklärt, wer es war, der ihn im Juni 2013 zum Chef von Bulgariens Staatlicher Agentur für Nationale Sicherheit (DANS) bestimmte. Seine Ernennung zum Chef von Bulgariens wichtigstem Geheimdienst trieb damals zigtausende Bulgaren zu Anti-Regierungsprotesten auf die Straße.

Durch Übereignung ihrer Medien an ihren Sohn hat Irena Krasteva dazu beigetragen, Deljan Peevski zu einer mächtigen, unantastbar erscheinenden Figur in Bulgariens öffentlichem Leben zu machen. Als grauer Kardinal hinter dem Rücken des massigen Zwei-Meter-Manns Peevski gilt aber Ahmed Dogan, der Ehrenvorsitzende der Partei der bulgarischen Türken, Bewegung für Rechte und Freiheit (DPS). Von einem Tag auf den anderen haben die Magnitski-Sanktionen Peevski nun zur politisch und wirtschaftlich geächteten Persona non Grata gemacht, dem die Einreise in die USA verwehrt ist und dessen dortige Vermögens- und Eigentumsrechte eingefroren sind. Jedem, der mit ihm noch Geschäfte macht, drohen Unannehmlichkeiten mit US-Behörden.

„Die Vereinigten Staaten stehen allen Bulgaren bei, die danach streben, die Korruption auszumerzen“, begründete OFAC-Direktorin Andrea M. Gacki die „bisher größte Magnitski-Aktion an einem einzigen Tag”. Korrupten Funktionsträgern, die das wirtschaftliche Funktionieren Bulgariens und seine demokratischen Institutionen unterminierten, würde die ihnen gebührende Verantwortung zugewiesen.

In der OFAC-Presseerklärung zur Magnitski-Sanktionierung wird Deljan Peevski als „Oligarch“ bezeichnet. Als bulgarischer Abgeordneter und Medienmogul sei er „regelmäßig an Korruption beteiligt gewesen, indem er Einflussnahme und Bestechungsgelder einsetzte, um sich vor öffentlicher Kontrolle zu schützen und Macht auszuüben über wichtige Institutionen und Sektoren in der bulgarischen Gesellschaft”. Als Gegenleistung für den Schutz vor strafrechtlichen Ermittlungen habe Peevski „Politikern politische Unterstützung und positive Medienberichterstattung gewährt”.

Kampf gegen Oligarchen

Der Glücksspielmagnat Vasil Boschkov ist Bulgariens zweites prominentes Magnitski-Opfer. Im Januar 2020 hat die Bulgarische Volksversammlung dem „Reichsten der Bulgaren“ durch die Novellierung des Glücksspielgesetzes die Geschäftsgrundlage entzogen.  Anschließend unterbreitete ihm die Staatsanwaltschaft einen ganzen Katalog an Tatvorwürfen, von Führung einer kriminellen Vereinigung über Steuerhinterziehung bis hin zu Massenvergewaltigung und Auftragsmorden. Die förmliche Anklageerhebung vor Gericht durch die bulgarische Staatsanwaltschaft steht aber noch aus.

Drohender Strafverfolgung entzog sich Boschkov aka Tscherepa (der Schädel) durch Flucht nach Dubai. Von dort nahm er seinen propagandistischen Kampf auf gegen die „herrschende Junta“ des langjährigen Ministerpräsidenten Boiko Borissov. Mit der von ihm gründeten Partei Bulgarsko Ljato (Bulgarischer Sommer) strebt er bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im Juli 2021 den Einzug in die Bulgarische Volksversammlung an. Politische Macht, so hofft er, könnte ihm die Reorganisation seines zerschlagenen Unternehmens ermöglichen und ihm helfen, seine auf der Welt einzigartige Sammlung archäologischer Artefakte der antiken Thraker zurückzuerhalten. Dies scheint angesichts seiner Magnitski-Sanktionierung kaum realistisch.

Für das OFAC ist Vasil Boschkov ein „Oligarch, der mehrfach Staatsbeamte bestochen hat, darin eingeschlossen einen aktuellen politischen Führer“. Dabei könne es sich nur um Ex-Regierungschef Borissov handeln, behaupet Boschkov. Der habe ihm zig Millionen BGN als sogenannte „Steuer Sorgenfrei“ abgepresst, damit er sein Lotteriegeschäft unbehelligt von Attacken staatlicher Institutionen ausüben könne.

„Das Schlimmste an den Sanktionen nach dem Magnitski-Gesetz sind aus wirtschaftlicher Sicht nicht die drei Einzelpersonen, sondern die vierundsechzig betroffenen Unternehmen, weil sie möglicherweise die gesamte Wirtschaft infizieren könnten“, begründet Finanzminister Vassilev gegenüber dem privaten Fernsehsender bTV die Erstellung seiner Schwarzen Liste. Vassilev ist Mitglied der Übergangsregierung von Ministerpräsident Stefan Janev, die das Balkanland regiert, nachdem die Wahlen Anfang April 2021 keine Parlamentsmehrheit erbracht haben.

Originäre Aufgabe des Kabinetts Janev ist eigentlich die Vorbereitung vorgezogener Wahlen zur Bulgarischen Volksversammlung. Zur Empörung der Repräsentanten von Bulgariens größter politischen Kraft „Bürger für eine Europäische Entwicklung Bulgariens“ (GERB) nutzt es seine kurze Amtszeit aber für eine radikale Abrechnung mit der Ära Boiko Borissov, der das Balkanland mit Unterbrechungen Bulgarien zwölf Jahre regiert hat. Kein Tag vergeht, an dem die Übergangsminister nicht vermeintlichen Machtmissbrauch und angebliche Misswirtschaft ihrer Vorgänger enthüllen.

Schlagzeilen wie „Oppositionelle Politiker und Journalisten vor den Parlamentswahlen abgehört“, „Riesenkredite der staatlichen Entwicklungsbank für Oligarchen wie Deljan Peevski“ oder gar „Ungesetzliche Transplantationen im Regierungskrankenhaus“ sorgen für öffentliche Erregung, unterminieren die Reputation der früheren Regierungspartei GERB und mindern ihre Chancen bei der bevorstehenden Wahl. Aufgrund der Fülle und der Schärfe der vom Übergangskabinett Janev gegen die Regierung Borissov vorgebrachten Vorwürfe sahen sich die GERB-Europaabgeordneten bereits veranlasst, die Europäische Kommission wegen angeblich gegen sie gerichteter Repressalien anzurufen.

„Die Bulgaren wünschten mehr Sicherheit, Demokratie und Wohlstand und die Liquidierung der Korruption“, kommentierte die US-Botschafterin in Sofia Herro Mustafa die Magnitski-Sanktionen. Zwar könnten Sanktionen das Problem mit der Korruption im Lande nicht lösen, es handle sich bei ihnen aber um ein „Zeichen an die Welt, dass die Ausnutzung staatlicher Institutionen für persönlichen Vorteil nicht geduldet wird“.

Manche Bulgaren sehen die Anti-Korruptionsoffensive der US-Regierung auf bulgarischem Territorium indes kritisch. Sie erinnern sich nicht an kritische Kommentare von Botschafterin Mustafa, als die Welt im Januar 2021 dem Präsidenten der Vereinigten Staaten Donald Trump am Telefon zuhörte, wie er versuchte, auf dem kurzen Dienstweg aus Georgia ein paar Tausend zusätzliche Wählerstimmen zu beschaffen. argwöhnen sie, beim Globalen Magnitski-Gesetz könnte es sich vielleicht doch nicht um ein selbstloses Mittel zur Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen und Korruption auf der Welt handeln, sondern um ein opportunistisches Instrument zur Durchsetzung amerikanischer Interessen.

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