Wachauer Grüner Veltliner, Nikolaihof

Grüner Veltliner galt lange Zeit als Synonym für den österreichischen Weißwein schlechthin. Die bloße Erwähnung des Rebsortennamens genügte schon, um die genussorientierte Wiener Lebensart und lange Sommernachmittage im Zustand angenehmer Berauschtheit in einem Heurigenlokal vor Augen zu haben. Was von solchen Erlebnissen bleibt, ist die Erinnerung an einen leichten, unkomplizierten, wenig aufregenden Wein, der für angenehme Erfrischung sorgt, aber den schweren, kräftigen Gerichten, die dazu serviert werden, nicht annähernd gewachsen ist.

Seit jedoch immer mehr Winzer demonstrieren, dass aus dieser Rebsorte trockene Weltklasse-Weißweine gekeltert werden können, die mit den besten Rieslingen auf einer Stufe stehen und so manchem renommierten Chardonnay die Show stehlen, genießt der Grüne Veltliner ein gänzlich neues Image nicht zuletzt, weil die Weine wie nur im Falle weniger anderer Rebsorten Herkunft und Terroir widerspiegeln.

Die mit Abstand interessantesten Exemplare kommen aus den Donautälern, allen voran aus der Wachau, etwa 65 Kilometer westlich von Wien direkt an der Donau gelegen. Es ist eine der beeindruckendsten Kulturlandschaften Europas und gilt seit dem Jahr 2000 als Weltkulturerbe.

Die Wachau hat eine in ganz Österreich einmalige Einteilung ihrer Qualitätsweine in drei „Gewichtsklassen“ geschaffen. Gemäß ihrem natürlichen Alkoholgehalt werden für trockene Weine die Kategorien „Steinfeder“, „Federspiel“ und „Smaragd“ unterschieden. Damit wird der Charakter der Weine recht präzise eingefangen.

Weine der Kategorie „Steinfeder“ präsentieren sich leicht und fruchtig mit einem auf 11 Volumenprozent begrenzten Alkoholgehalt – so leicht und duftig wie das typische Steinfedergras, das in den Wachauer Weinbergen Seite an Seite mit den Rebstöcken wächst.

Weine der Kategorie „Federspiel“ weisen einen Alkoholgehalt zwischen 11,5 und 12,5 Volumenprozent auf und repräsentieren den trockenen, mittelgewichtigen Wachauer Weinstil. Sie sind gehaltvoll genug, um sich als vorzügliche Speisenbegleiter zu bewähren.

„Smaragd“ ist die Bezeichnung für die mächtigsten und konzentriertesten Weine der Wachau. Der Begriff verweist auf die Smaragd-Eidechsen, die sich in den Wachauer Weinbergsterrassen besonders wohlfühlen. Ihr minimaler Alkoholgehalt liegt bei 12,5 Volumenprozent, realiter sind es heute jedoch meistens um die 14 Volumenprozent.

Jugendlich und lebendig

Eingeschenkt habe ich mir heute ein Federspiel vom Nikolaihof, dem wohl ältesten Weingut Österreichs. Die Trauben stammen aus der traditionsreichen Urgesteinslage „Im Weingebirge“. Sie wurden im Jahr 2013 geerntet, der Wein dann allerdings erst 2020 abgefüllt.

Als Gründungsmitglied des Demeter Bundes Österreich wird im Nikolaihof seit Jahrzehnten biodynamisch gearbeitet. Es werden keine Pestizide, Fungizide, Herbizide oder sonstige chemisch-synthetische Behandlungsmittel verwendet. Zur Stärkung der Weinstöcke und des Bodens werden das Hornkieselund das Hornmist-Präparat ausgebracht. Die Nährstoffversorgung der Rebe wird mit der Aussaat von Gründüngung aus verschiedenen Gräsern, Pflanzen und Kräutern unterstützt. Geerntet wird ausschließlich händisch.

Im Keller wird maximal interventionsarm gearbeitet. Das Federspiel, das ich im Glas habe, wurde ohne Zusatz von Zucker, Enzymen, Geschmacksverstärkern und Reinzuchthefen ausschließlich mit der natürlichen, traubeneigenen Hefe vergoren und in überwiegend großen, alten Holzfässern gelagert. Erst nach rund sechs Jahren Fassreifung wurde der Wein auf die Flasche gezogen.

Weder optisch noch aromatisch habe ich allerdings den Eindruck, einem 7 Jahre alten Wein zu begegnen. Nicht nur in der Farbe, sondern auch im Duft präsentiert er sich noch ungemein jugendlich und lebendig. In der Nase habe ich Noten, die an Weinbergspfirsiche, Mirabelle und Holunder erinnern. Alles sehr dezent und leise. Hinzu gesellen sich feine Anklänge an Feuerstein und frischen Hefeteig.

Am Gaumen begegnet mir eine seidige Leichtigkeit, die im ersten Moment so für sich einnimmt, ja verzaubert, dass ich am liebsten in Windeseile einen weiteren Schluck nehmen möchte. Wie bei einem guten Zechwein!

Weil ich mir jedoch etwas Zeit lasse, entgeht mir nicht die Feinheit und Komplexität, die sich hinter der vordergründigen Gefälligkeit erst mit etwas Luft offenbart. Jetzt wird die ganze Tiefe und Größe dieses Weins erkennbar. Alles ist miteinander verschmolzen, wie bei einem großen Kunstwerk harmonisch und vielschichtig. Alle Details spielen perfekt zusammen und die feinen Töne klingen leise und scheinbar unendlich nach.

Wachauer Grüner Veltliner „Im Weingebirge“ Federspiel, Nikolaihof

 


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