»Ich wünsche mir, dass die Versorgung an erster Stelle steht und nicht die Fallpauschale.«
Das aktuelle Buch zur Corona-Krise und weit darüber hinaus: Was sich jetzt endlich in unserem Gesundheitssystem ändern muss
Nina Böhmer arbeitet in der Pflege seit sie sechzehn ist. Ihr Beruf macht ihr Spaß. Eigentlich. Doch als sich während der Corona-Krise die ohnehin schlechten Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte noch mal verschärfen, platzt ihr der Kragen. Auf Facebook veröffentlicht sie eine Wutbotschaft, in der sie erklärt, warum sie viele Entscheidungen der Politik nicht nachvollziehen kann und warum sie es irgendwie als Hohn empfindet, wenn ihr auf einmal Applaus von Balkonen entgegenschallt - wo war der eigentlich vorher? Und wird auch geklatscht, wenn die Krise bewältigt ist?
Was sie nicht ahnt: Ihr Posting trifft einen Nerv, wird über 75.000-mal geteilt und macht insbesondere in den klassischen Medien Furore. Dass es in unserem Gesundheitssystem hakt, wissen wir alle nicht erst seit gestern, und dass einmal kurz klatschen nicht reicht, ahnen wir insgeheim auch schon länger.
Nina Böhmer bringt es auf den Punkt: Profitabilität darf nicht der alleinige Maßstab unseres Gesundheitssystems sein. Es geht um die beste mögliche Behandlung der Patienten und zugleich um die Menschen, die sich von Berufs wegen um Kranke und Pflegebedürftige kümmern. Es geht um eine langfristige, umfassende Lösung, um bessere Personalpolitik, aber auch um angemessene Arbeitsbedingungen und Bezahlung. Immerhin gelten Pflegekräfte endlich als systemrelevant, wenngleich sie dies auch schon vor Corona waren. Was sind uns die beklatschten Pflegekräfte wert?
Nina Böhmer nimmt uns mit an die Front ihres Berufsalltags, berichtet von den Unzulänglichkeiten der Politik, die sie und ihre Kollegen oft ausbaden müssen, wie absurd ihr vieles in Zeiten von Corona inzwischen erscheint, von nächtlichen Erschöpfungszuständen und dass sie nicht versteht, wie unkritisch sich ein Teil der Bevölkerung verhält - aber auch davon, warum ihr Job für sie der schönste der Welt ist.
Nina Böhmer, Jahrgang 1992, ist in Brandenburg geboren und aufgewachsen. Nach der Schule machte sie ihren Abschluss als staatlich anerkannte Sozialassistentin, arbeitet danach für einen Pflegedienst und begann 2012 ihre Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. Seitdem arbeitet sie in Berliner Krankenhäusern. Nina Böhmer wusste schon als Kind, dass sie einmal einen Beruf ausüben wollte, mit dem sie Menschen hilft. Heute wünscht sie sich nichts mehr, als dass der Staat sich stärker für das Gesundheitssystem und ihren Berufsstand einsetzt. Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde sie durch ihre Wutbotschaft »Euren Applaus könnt ihr euch sonst wohin stecken«, die sie am 23. März 2020 auf Facebook postete.