Voltaire, der »geistreiche Spötter« - kaum ein Klischee über große Literaten ist so verbreitet. Doch das lässt den französischen Denker weit zu harmlos erscheinen. Geistreich und ironiebegabt war Voltaire gewiss, doch mild lächelnder Spott war seine Sache nicht. Er konnte scharf und ätzend sein, wo er sich engagierte. »Écrasez l'infâme« war sein Schlachtruf - »Zerschmettert alles Niederträchtige«.
Das »Dictionnaire philosophique portatif«, das 1764 erstmals erschien, ist alles andere als ein Nachschlagewerk. Es ist eine klare Abrechnung mit Dummheit, Fanatismus, Borniertheit und Intoleranz. In 73 Stichworten kann man lernen, was eine kritische, undogmatische Geisteshaltung ausmacht. Man kann von ihm lernen, was das Engagement eines Schriftstellers vermag. Und dass Engagement und literarische Qualität einander nicht ausschließen - eine kluge Kampfschrift, von der noch heute Impulse ausgehen können.
Der Literaturkritiker Denis Scheck bezeichnete es zu Recht als Skandal, dass das »Philosophische Taschenwörterbuch« nur in einer Auswahlausgabe auf Deutsch erhältlich sei. Diese Ausgabe macht die deutschsprachige Literaturwelt nun um einen Skandal ärmer.
Voltaire (1694–1778) war einer der einflussreichsten französischen Philosophen. Mit seinen Werken zur Vernunft und zur Toleranz bereitete er den Weg für die Französische Revolution. Er gilt als der bedeutendste Protagonist der europäischen Aufklärung.
Angelika Oppenheimer, geb. 1946, studierte Philosophie, Romanistik und Psychologie und übersetzte u. a. Condillacs »Versuch über den Ursprung der menschlichen Erkenntnis«.